Kündigung im Krankheitsfall?

Ich habe wegen Pseudotumor cerebri viele Fehlzeiten – muss ich um meinen Job fürchten?

Als wenn eine seltene chronische Erkrankung die Betroffenen nicht schon genug belasten würde, müssen sich Arbeitnehmer nach einer Zeit die Frage stellen, ob sie die Krankheit langfristig nicht auch den Job kosten könnte. Zwar hält sich das Gerücht hartnäckig, dass eine Kündigung während einer Krankheit nicht möglich sei – leider ist man aber durch eine Erkrankung nicht vor einer Kündigung sicher, wenn gegen das allgemeine Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder andere kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen (z.B. für Schwangere, Eltern in Elternzeit oder Arbeitnehmervertreter) nicht verstoßen wird.

Kündigung durch den Arbeitgeber trotz Krankheit ist grundsätzlich möglich

Das Kündigungsschutzgesetz kann den Arbeitnehmer aber vor einer Kündigung bewahren, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und in der Regel mehr als zehn Personen in Vollzeit im Betrieb beschäftigt sind. Dann ist eine Kündigung nur aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen zulässig. Die Kündigung wegen Krankheit ist dabei eine Sonderform der personenbedingten Kündigung. Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Kündigung, sollte man gegen die Kündigung innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht vorgehen.

Kündigungsschutzklage muss binnen drei Wochen ab Kündigung erhoben werden

Das Arbeitsgericht wird dann in 3 Stufen prüfen, ob die Kündigung zulässig ist:

  1. Besteht eine negative Gesundheitsprognose?

  2. Besteht eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen?

  3. Sind die Beeinträchtigungen dem Arbeitgeber im Rahmen einer Interessensabwägung nicht zumutbar?

Was ist unter einer negative Gesundheitsprognose zu verstehen ?

Bei häufigen Kurzerkrankungen werden die Krankheitszeiten in den vergangenen 2 Jahren betrachtet. Musste der Arbeitgeber in den letzten 24 Monaten vor der Kündigung mehr als sechs Wochen Lohnfortzahlung pro Jahr leisten, darf daraus geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft ähnlich oft krank sein wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche Fehlzeiten in diese Berechnung mit einbezogen werden dürfen: wenn die einzelnen Erkrankungen unterschiedliche Ursachen haben oder ausgeheilt sind, dürfen die daraus resultierenden Fehlzeiten nicht mit eingerechnet werden.

Die Beurteilung bei einer lang andauernden Erkrankung, bei welcher der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch nicht feststeht, ist hingegen schwieriger. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Faustregel aufgestellt, wonach eine negative Gesundheitsprognose angenommen werden kann, wenn innerhalb der nächsten 24 Monate mit einer Genesung nicht zu rechnen ist. In der Praxis ist das allerdings kaum nachweisbar, da sich ein Arzt regelmäßig nicht auf einen so langen Zeitraum in der Zukunft festlegen wird.

Steht allerdings fest, dass der Arbeitnehmer auf Dauer arbeitsunfähig ist und mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr gerechnet werden kann, geht man stets von einer negativen Gesundheitsprognose aus. In solchen Fällen sind krankheitsbedingte Kündigungen zumeist gerechtfertigt.

Wann sind die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen erheblich beeinträchtigt?

Bei erheblichen Lohnfortzahlungskosten oder bei einem Umsatzrückgang darf von einer bedeutenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung ausgegangen werden.

Betriebliche Interessen sind bei einer Störung des Betriebsablaufs wie zum Beispiel bei einem Maschinenstillstand, bei der dauerhaften Überlastung der Belegschaft, bei einem Abzug von Personal aus anderen Bereichen etc. beeinträchtigt.

Welche Punkte sind bei einer Interessenabwägung zu beachten?

Der Arbeitgeber muss vor einer Kündigung immer erst mildere Mittel prüfen. Ist es zum Beispiel möglich, dass der Arbeitnehmer auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt wird, ist eine Kündigung in der Regel nicht angemessen. Fehlte nach einer längeren Krankheit eine Wiedereingliederung oder wurde diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann auch dies dazu führen, dass eine Kündigung unverhältnismäßig ist.

Zugunsten des Arbeitnehmers sind bei der Interessenabwägung insbesondere sein Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Krankheitsursachen, der Familienstand, eine etwaige Schwerbehinderung und Unterhaltspflichten zu berücksichtigen.

Wie sollte ich mich verhalten?

Auch wenn eine Kündigung im Krankheitsfall trotz Kündigungsschutzgesetz also grundsätzlich möglich ist, ist deren Zulässigkeit von einigen Vorgaben abhängig. Dabei können die unterschiedlichen ID-10041023Krankheitsverläufe bei Pseudotumor cerebri für die Beurteilung, ob eine negative Gesundheitsprognose vorliegt oder nicht, sogar vorteilhaft sein. Es gibt immer wieder Betroffene, bei denen sich der Hirndruck über längere Zeiten zurückbildet und manche, die sogar gänzlich symptomfrei bleiben. Auch lassen z.B. häufigere Shuntrevisionen in der Vergangenheit nicht darauf schließen, dass in Zukunft zwangsläufig regelmäßige OP-Ausfälle zu befürchten sein müssen. In der Folge wird kaum ein Arzt eine sichere Prognose wagen können, wie sich der Zustand seines PTC-Patienten innerhalb von 24 Monaten entwickeln wird. Aber auch wenn die Voraussetzungen für eine Kündigung rechtlich erfüllt wären: nicht jeder Arbeitgeber wird seinen Angestellten deswegen direkt vor die Tür setzen wollen. Hier können direkte Gespräche helfen, die Ausgangslage zu verbessern, damit der Arbeitgeber seine Ressourcenplanung darauf ausrichten kann.

 jl

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